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Fender Telecaster Road Worn '50 & '72

Über Sinn oder Unsinn des künstlichen Alters von Gitarren wird hier im Board mancherorts heiß diskutiert. Von völliger Ablehnung bis voll empfänglich reicht hierbei die Palette der Wortmeldungen. Verteufeln darf man natürlich niemanden ob seiner Einstellung/Meinung. Von daher verbietet sich meiner Meinung nach jegliche fehlgeleitete Diskussion darüber. Zum Glück wird niemand gezwungen, sich eine solche Gitarre zu kaufen. Ich selbst bin ein Fan des künstlichen Ageings bei Gitarren.

Die Road Worn-Modelle fielen mir natürlich früh ins Auge. Als Fan der Les Paul kennt man das Thema Ageing schon in- & auswendig. Die Fotos der 1950er-Les Paul mit ihren Weather Checkings, Abnutzungen, Dings & Dongs waren schon lange präsent und letztendlich wollte ich auch so eine Les Paul mit diesen Alterungsspuren mein Eigen nennen. Aber kennt Ihr ja, die Preise dafür – nicht in 10 Leben! Aber es gab & gibt Alternativen und so kann zumindest bei einem Modell neueren Datums für entsprechenden Obolus nachgeholfen werden. Fender war und ist an der Stelle nach wie vor cleverer, bedenken sie nicht nur Kunden des Custom Shop-Segments mit „alten“ Gitarren, sondern richteten sich mit ihrer Road Worn-Serie an Kunden mit schmälerem Geldbeutel. Dies um das Jahr 2008 (zumindest datieren die ersten Modelle auf dieses Jahr und feiern somit 2018 ihr 10 jähriges Jubiläum). Bei den aufgerufenen Preisen, wen interessiert es da wirklich, dass die Alterungsspuren bei jeder Road Worn nahezu identisch sind? Die Wenigsten werde gleich zwei eines Modells besitzen, um das überhaupt nachprüfen zu können. Und wenn schon...? Zudem entschärfte Fender das gesamte Ageing in der zweiten Serie stark gegenüber der Erstauflage. Meine Beiden stammen aus den jeweils Ersten.

Specs ´50s Telecaster Road Worn
Wie nicht anders zu erwarten, hält sich die ´50s Telecaster an die klassische Holzauswahl der 1950er-Jahre. Zum einen Esche für den Korpus sowie Ahorn für den Neck, der natürlich aus einem Stück besteht. Auch der Griffbrettradius beträgt historisch korrekte 7,25“. Der Korpus wurde in Nitro lackiert, Hals & Griffbrett mit Urethanelack. Der Lack wurde nur dünn auf- und besonders am Hals wieder großflächig abgetragen. Dies dann der Klangentfaltung nur zuträglich sein. Passend dazu trägt die übrige Hardware einen used-look zu Markte. Einzig das Pickguard fällt hier (zumindest beim meiner Tele) aus dem Rahmen. Zum einen schaut es nach eher billigerem Kunststoff aus und zum anderen hob es im Bereich des Cutaways ca. 3 mm ab. Hierfür sind entweder die falsch gesetzten Bohrungen in der Gitarre selbst oder dem Pickguard verantwortlich, die Selbiges unter Spannung setzen. Mein erster Gedanke war, es mit doppelseitigem Klebeband zu fixieren, aber was würde der Nitrolack davon halten? Die zweite und dauerhafte Lösung bestand darin, ein schön geagedes 5-Loch- & dreilagiges Pickguard zu installieren. Fertig war die Laube.

Specs ´72s Telecaster Custom Road Worn
Bei der Road Worn handelte es sich um eine limitierte Auflage. Laut Fender Deutschland finden sich hiervon keine 200 Stück in Europa. Die Lackarten und –ausführungen sind identisch zur ´50s Tele. Ansonsten unterscheidet sich die Road Worn nicht weiter von den unversehrten Modellen. Im Gegensatz zur ´50s besteht der Korpus aus Erle und das Griffbrett aus Palisander. Die Halsbasis wurde natürlich aus Ahorn gefertigt. Den Griffbrettradius beließ man bei 7,25. Die Hardware noch ein weniger useder als bei der ´50s, hat man dem Cover des Neck-Humbuckers sogar ne Delle verpasst. Die Bridge sieht starker rangenommen aus und insgesamt sieht das Ageing bei der Custom noch einen Ticken authentischer aus.

Elektrischer Unterschied zwischen ´50s & ´72
Augenscheinlich ist der Unterschied bzgl. der Anzahl der Reglereinheiten, klassische zwei bei der ´50s und die doppelte Anzahl bei der ´72. Mit ihr wollte man auch der wiederbelebten Gibson Les Paul Käufer abspenstig machen. Somit lässt sich natürlich der Tone besser feinjustieren.

Haptik
Gegenüber den unterschiedlichen Griffbrettradien 7,25“, 9,5“ oder 12“ bin ich unempfindlich, spüre keinen allzu großen Unterschied. Ich kann nicht sagen, dass ich mich auf dem einen oder anderen wohler fühle, da ich nicht unbedingt sagen könnte, welchen ich gerade spiele. Anderen geht es diesbezüglich vielleicht anders. Gegenüber einer „moderneren“ Tele muss man bei den beiden Road Worn auf den berühmten mit ihrem rückwärtigen Rippenspoiler verzichten. Den gab es Anno 1972 eben auch nicht. D.h., die Tele rücken nicht so nahe an einen Telecaster Deluxe oder gar eine Strat heran.

Alleine die größtenteils entlackten Hälse fühlen sich beim Spiel richtig gut an, bieten so gut wie keinen Widerstand. Der der ´72er weist sogar leichte Flames auf. Auch die seitlich verrundeten Bundenden unterstützen dies. In der Tat fühlen sich diese beide Tele auch „alt“ an. Natürlich sieht das Ageing ein wenig schablonenhaft an, aber wenn es den Spielkomfort unterstützt, spielt dies keine Rolle.

Pickups
Bei der ´50s kann ich sagen: Stock-PU´s und fertig. Hier bedarf es für meine Ohren keiner Modifikation. Allerdings kommen hier auch ein etwas heißer gewickeltes TexMex-Set zum Einsatz und die scheinen gut mit Esche-Bodies und Ahorn-Necks zu funktionieren (dazu weiter unten mehr).

Die ´72s Tele bereitete mir dagegen an der Bridge größere Probleme. Leider konnte ich den von Fender lapidar als „Telecaster Singlecoil“ bezeichneten Pickup nie hören, da er von einem Vorbesitzer gegen einen Texas Special ausgetauscht wurde. Zum wiederholten Male musste ich feststellen, dass ich nichts mit Texas Special anfangen kann. Klangen sie in meiner damaligen American Special HSS Strat schon furchtbar, war es bei der Tele nicht viel besser. Diese Pickups besitzen in meinen Ohren einfach keinen Bass und ich habe mich wirklich lange mit den TS in beiden Instrumenten auseinandergesetzt. Leider ohne Erfolg, sondern nur mit der Erkenntnis: nie mehr Texas Special-Pickups und dies ist ja auch wichtig.

Im zweiten Stepp vertraute ich auf den TexMex, der in meiner ´50s einen Top Job verrichtet. Aber auch hier machte sich schnell Ernüchterung breit. Sollte der TexMex besser mit einer Esche-Tele funktionieren? Jedenfalls lag das Klangbild sehr nahe an dem des Texas Special (wenn verwundert´s, wird er doch als mexanischer Verwandter des Texas Special beworben), wenn vielleicht auch nicht ganz so gediegen. Somit ebenfalls „fail“.

Ich wollte schon fast aufgeben, als ich an mehreren Stellen vom Custom Shop Nocaster las. Viele Member im Musiker Board antworteten auf die Frage „Welcher PU für meine Tele?“ mit „Nocaster“. Da musste doch was dran sein.

Glücklicherweise fand ich sogar einen in geageder Ausführung passend zur Optik der Road Worn Telecustom. Aber auch damit war im ersten Moment kein Start zu machen, klang er doch nicht viel anders, als die beiden Vorgenannten. War diese Tele ein Tonegleichmacher, ein Fehlkauf. Aber zum Glück ist es bei mir so, habe ich mich erst einmal festgebissen, will ich ein für mich passendes Ergebnis erhalten und meine Mühe würde belohnt. Von einem auf den anderen Moment rastete der Tone ein und auch die Zwischenstellung und der Neck-PU klang klasse.

Bitte seht mir den Pickabrieb zwischen den Pickups nach.

Mittlerweile ist der Tone der Tele sogar ein wenig zum Trademark-Tone für andere Telecaster geworden. So kann aus einem Saulus doch noch ein Paulus werden.

Und zum Tone ´50s
Die Abstimmung der ´50s geriet leicht. Entweder hatte hier das Werk oder der Vorbesitzer gute Arbeit geleistet. Der Stegsinglecoil klang gleich so, wie ich es mir wünsche. Bissig, nicht zu höhenbetont und einem darüber gelagertem Bassdruck. Nicht vordergründig, aber toneprägend. Er klingt schön dreckig, erdig, wenn auch nicht so schön dreidimensional wie ich das von anderen Pickups her kenne. Ich kann auch nicht sagen, wie sehr sie den Tele-Twäng besitzt, habe mich nie damit beschäftigt und das interessiert mich auch nicht. Deswegen bin ich der falsche Ansprechpartner für all diejenigen die wissen wollen, ob diese Tele auch echt klassisch nach Tele klingt.

Beim Neck-PU musste ich etwas nachhelfen, lag er doch lautstärkenmäßig hinter dem Stegpickup. OK, auch kein Hexenwerk: Pickguard runter, einstellen, hören, nachjustieren, fertig. Hab nun den Neck-PU so im Ohr, dass er etwas heller als sein Kollege an der Bridge klingt. Da dies jedoch eh nicht meine bevorzugte Spielwiese ist und sich beide Pickups bei ihrer Einstellung gegenseitig beeinflussen, belasse ich es auch dabei. In der Mittelstellung hört man dann das, was gerne als glockig bezeichnet wird.

Und zum Tone ´72s
Hier war die Sachlage mit dem Stegpickup wie oben beschrieben nicht ganz so leicht. Der Texas Special als auch der TexMex wollten einfach keinen Bass entwickeln. Die Tele klang dünn und uninspirierend. Von den Tonecharts her schien der Nocaster der richtige Pickup für diese Gelegenheit zu sein: viel Bass, wenige Mitten und Höhen und vom Output her nahe am TexMex (Output: 7,8 – 8,2 kOhm / Nocaster: 7,3; auch wenn diese Wert nur wenig bis nichts über den Klang eines Pickups aussagen). Ich war in doppelter Hinsicht neugierig auf diesen Pickup. Der von mir Verbaute kommt allerdings auf ganze 10,3 kOhm!

Wie beschrieben war ich zuerst etwas enttäuscht von diesem Pickup aus dem Custom Shop (schon wieder so ein gehyptes Teil, das den Vorschusslorbeeren nicht gerecht wird?). Nach der o.g. Fleißarbeit belohnte er mich mit schöner Dreidimensionalität, die ich dem TexMex absprechen muss. Auch hört man hier eine bessere Saitentrennung. Außerdem klingt er richtig edel, auch wenn er recht böse kann (das kann der TexMex einen Deut besser). Im Gegensatz besitzt der Nocaster ein schönen Glitzern und einen herrlichen Crisp. Bietet bei weitem nicht so viel Bass, wie es die Tonecharts suggeriert, aber auch nicht zu wenig Höhen. Korrekt eingestellt, findet man die richtige Balance zwischen Bass und Höhen, die auf wunderbare Weise miteinander verzahnt sind. Dazu gesellen sich ein Mittenbereich, der den gesamten Tone voluminöser macht.

In der Mittelstellung steigert sich dann ein wenig der Bassfundament und liegt damit über dem der Einzelstellungen. Zudem büßt er auch etwas an Plastizität ein. Der Wide Range am Neck ist ein recht wandelbarer Pickup, der von bassig dröhnend bis hellklingend eine weite Spannbreite abdecken kann.

Mittlerweile avansierte die Custom zu der Tele, die ich am meisten in die Hand nehme und dies ist nicht zuletzt dem Nocaster zu verdanken. Zumindest in der Tele DER Bridgepickup!

Fazit
Diese beiden Road Worn´s sind nicht die Ersten, die ich besaß. Den Anfang machte eine 2008er Stratocaster, weil sie mir doch näher als die Telecaster stand. Optisch auch ein wirkliches Highlight. Aber leider war vor allen Dingen dem mittleren Pickup der enorme Bass nicht abzugewöhnen, anfänglich war es beim Stegpickup ebenso (Elektrik so verlötet, dass das mittlere Tonepoti auch auf den Steg-Singlecoil einwirkte). Nach mehreren Wochen gab ich verzweifelt auf und tauschte sie gegen die hier beschriebene ´72 Telecaster.

Zum einen kann ich sagen Tausch erfolgreich und zum anderen, die Tele steht mir mittlerweile näher, als die Strat, so dass ihr Verlust nicht allzu schwer wiegt.

Wer auf rangenommene Gitarren, wenn auch künstlich herbeigeführt steht, sollte sich die Road Worn auf jeden Fall einmal anschauen. Kann man über die Gebrauchsspuren hinwegsehen, erhält man zumindest eine Gitarre, die größtenteils mit Nitro lackiert und generell alle Lackoberflächen nur dünn versiegelt wurden. Zudem zeigt die zweite Generation der Road Worn weitaus weniger Dings & Dongs und wirkt damit mit Sicherheit beruhigender auf den No Ageing-Player.

Auch wenn ich darauf keinen sonderlich gesteigerten Wert lege, bin ich gespannt, ob diese Modelle einmal einen Wertezuwachs erleben oder zukünftig als „persona non grata“ gelten werden.

Ich hoffe, mein Review war für Euch kurzweilig und informativ...

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