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Gibson Melody Maker 2007

An der Stelle möchte ich dem Interessierten ein wenig meine vor ein paar Wochen neu erworbene gebrauchte Melody Maker näher bringen.

Eigentlich ist die Namensgebung des Review´s irreführend, eine Les Paul Melody Maker gab es nie (Ausnahme: 2014er Modelle). Sie wurde bei Gibson schon immer als Melody Maker (MM) geführt. Ich nutze den Zusatz Les Paul nur, um das Design eindeutiger zu beschreiben, wurde die MM doch im Zeitraum von 1959 bis zum Anfang der 1970 mehr Veränderungen unterworfen, als dass das bei andere Gibson-Gitarren der Fall war.

Tatsächlich erblickte sie im Layout der Les Paul das Licht der Welt. Die Unterschiede zu ihrer nächsten Verwandten im Gibson-Lager, der Junior bestehen zum einen in der Pickupbestückung, der sich aus einem Singlecoil gegenüber einen P90 der Junior rekrutiert und zum weiteren aus einem Korpus, der wesentlich dünner, als der der Junior ausgeführt wurde. Die MM war der günstigste Einstieg in die Gibson-Welt, an ihr wurde alles weggelassen, was man für das Gitarrenspiel nicht unbedingt benötigte und so kam sie in den 1950er auf einen Verkaufspreis von 99,50 $. Eine Junior schlug dagegen mit 132,50 $ zu Buche. Im Gegensatz zur Junior gab es die MM auch mit einem zweiten Pickup in der Halsposition (135,00 $).

Bereits 1961 wechselte das Design hin zu einer Doublecutaway-Variante. Diese sah so aus, als ob man der ursprünglichen MM einfach den zweiten Cutaway herausgesägt hätte. 1964 stand wiederum ein Modellwechsel an, sie behielt ihre beiden Cutaway´s und wurde damit in meinen Augen gefälliger und auch der massive Hals-Korpusübergang wurde entschärft, um dann 1966 schlussendlich durch das SG Design ersetzt zu werden.

Seitens Gibson wurde die MM immer wieder mal aufgelegt, so um 2004 mit eine P90 und einer Bridge/STP-Kombination. 2011 gab es die MM in vielen Variationen: Les Paul, SG, Flying V & Explorer. Korpus und das Griffbrett bestanden aus Ahorn, der Hals aus Mahagoni, zudem wurde ein Humbucker, ausgestattet mit nur einem Volumepoti installiert. Schlussendlich noch die Version aus dem Jahr 2014 mit zwei P90, die optisch eher einer Special nahe stand, auch wenn ihr Korpus MM-typisch dünner ausgeführt wurde. Allesamt Modelle, die sich weit vom ursprünglichen Design entfernten und nur noch dem Namen nach Melody Maker waren.

In diesem Review soll es um das Reissue-Modell der ersten MM-Variante, dass auch den damaligen minimalen Ausstattungsmerkmalen Rechnung trägt, gehen. Dabei handelt es sich in meinem Fall um ein Instrument aus dem Jahr 2008.

Dabei orientiert man sich in der Tat recht stark an der Vorlage aus den 1950ern. Wenn man einmal von solchen Umständen, wie nicht mehr verfügbare Tonhölzer (Rio-Palisander für das Griffbrett) oder leicht variierenden Abmessungen weil damals Handarbeit absieht, unterscheidet sich die 2008er MM nur in zwei, allerdings wesentlichen Punkten von der alt ehrwürdigen Dame. Zum einen wurde die Lackierung nicht in High Gloss, sondern in dem von Gibson favorisierten Worn ausgeführt und hier bei der vorliegenden MM wurde der Lack tatsächlich hauchdünn aufgetragen. Meine MM ist zwar erst 6 Jahre alt, sieht aber durch intensiven Spielen des Vorbesitzers wie ein Instrument ,das 20 Jahre oder älter zu sein scheint aus, d.h., dort, wo der Lack dauerhafter mechanischer Belastung ausgesetzt war, wurde der Lack bis auf die Mahagonibasis abgetragen. Auch über den gesamten Halsrücken hinweg schimmert bereits das Mahagoni durch.

Durch diese dünne Lackierung werden die Holzporen nicht ganz verschlossen und so zeigt sie eine fast naturbelassene Oberfläche, auch am Korpusrand und dem Aussehen nach weiß man auf einmal, warum bei solchen Gitarren immer von Brettgitarren gesprochen wird, sieht ein wenig nach lackiertem Frühstücksbrett aus… Wenn schon dünnes Brett, dachte sich Gibson vielleicht seinerzeit, dann so wenig wie möglich davon wegnehmen, denn die ganze Regelmimik incl. Pickup thronen auf einem recht großen Pickguard, wobei nur die Bereich für o.g. Bauteile aus dem Holz gefräst wurden. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass man so Fertigungszeiten und somit Kosten sparen konnte.

Aber ganz egal, entweder man steht auf solche Gitarren oder man hasst sie eben. Ich gehöre eindeutig der ersten Kategorie an. Bei diesem Typus Gitarre passiert alles direkt: Lautstärke und Tone einstellen, fertig. Alles andere erledigt die Finger und der Amp.

Der zweite Punkt betrifft den Pickup. Die MM´s der 1950er und 1960er-Jahre waren zwar ebenfalls mit einem Singlecoil bestückt, allerdings baute der etwas länger, als der in den Reissue-Modellen. Auch der Output unterscheidet sich stark. Liegt dieser bei den Vintage-MM´s bei ca. > 6,5 kOhm, so bringt es der 2008er lediglich auf 4,63 kOhm, quasi ein halbierter Humbucker und so schaut er auch aus. Sechs nicht einstellbare Polstifte ragen aus dem Spulenkörper heraus. Nun hätte man vielleicht auch die andere Seite des Humbuckers hernehmen können, um den Pickup feinjustierbarer zu machen, aber merke, einfache Gitarre. Einstellmöglichkeiten bot auch die Veteranin nicht, bei ihr wurde dem Pickup lediglich ein schwarzes Kunststoffcover übergestülpt. Für denjenigen unter Euch, der daran denkt, eine MM dieser Reihe mit einem P90 aufzurüsten: das funktioniert ohne Fräsarbeiten nicht, denn dieser baut breiter.

Tone – Tone– Tone
Die Grundlautstärke abseits des Amps ist bereits enorm. Ihr Tone besitzt dabei schon diese schöne Wärme, wie man sie von Mahagoni-Gitarren kennt. Das Klangspektrum ist sehr kompakt, keine plärrigen Höhen, keine dominierenden Bässe, zudem schön ausgeprägte Mitten. Nun könnte man zu dem Schluss kommen, dass so eine Gitarre mit so einem schwachen Pickup auch schwach, leise und blutleer am Amp klingen könnte. Aber Irrtum! Dieses kleine Ding kann schon richtig nach vorne gehen und einen Mords Pegel bereitstellen. Dabei deckt sie ein weites Feld von Clean über Crunch, bis zu Distortion ab. Ja, sogar bei nicht übertriebener Lautstärke ist auch High Gain möglich. Der Singlecoil klingt nicht so aggressiv und umfassend, wie ein P90, entfaltet seinen Tone jedoch ebenso schnell und entwickelt dabei seine ganz eigene Note. Der akustische Anteil wird sehr schön von dem Pickup wiedergegeben. Meiner Meinung nach besitzt diese MM einen ganz besonderen Tone. Dies kann ich nur im Vergleich zu meinen anderen Gitarren und nicht gegenüber anderen MM´s sagen. Ausdrucksstarken Tone würde ich das nennen und es macht einfach immer wieder Freude, sie in die Hand zu nehmen und zu spielen. Eine höhere Auszeichnung kann es für eine Gitarre wohl nicht geben.

Modd
Das Einzige, was ich bei ihr verändert habe, ist der Einsatz eines größer dimensionierten Kondensators. Hier hatte ich noch einen NOS-Black Beauty mit einem Wert von .047 / 400 V zur Hand. Dieser entspricht dem für Singlecoil gebräuchlichsten Wert. Mit ihm werden die Höhen noch einmal milder und betten sich noch besser in den Gesamtkontext ein.

Schönheitsfehler
Meine MM konnte ich für einen günstigen Kurs erstehen, denn sie zeigt einen im ersten Augenblick gravierenden Mangel. So brach vor langer Zeit (ich kann nicht sagen, wie lange dies bereits zurückliegt) der Korpus unterhalb der Stoptailbuchse bis hin zur Zarge. Dieser Riss ist ebenfalls auf der Rückseite zu sehen. Laut Aussage des Vorbesitzers wurde er jedoch geklebt und verhält sich seit dem ruhig. Da ich von dem Tone der Gitarre wirklich überzeugt bin, stellt dieser Riss für mich in der Tat nur ein Schönheitsfehler bzw. die Narbe einer guten Gitarre dar. Zudem ist er nicht direkt offensichtlich, sondern nur bei genauerer Betrachtung zu sehen, fiel mir auf den Fotos auch erst nach dem zweiten, dritten Blick auf.

Fazit
Ich liebe dieses Frühstücksbrett mit Saiten. Und zudem zeigt es mir mal wieder, warum solche Gitarren nach wie vor beliebt sind und das man nicht immer 1.000 Sounds und Einstellungen benötigt, um Musik zu machen, denn diese ganze Justiererei hält nur von eigentlich Sinn ab, nämlich spielen.

Von daher mein Statement an dieser Stelle: traut der kleinen Gitarre etwas zu, spielt sie, probiert sie aus und sie wird es Euch danke.


 

Bei einem Reinigungsversuch bzw. beim Polieren des Lackes erwies sich dieser als so dünn aufgetragen und mechanisch wenig belastbar, dass ich doch glatt durchpolierte. Somit blieb mir nichts anders übrig, als den Hals weitesgehend vom Lack zu befreien. Damit stellte sich auch gleichzeitig ein anmutigeres Spielgefühl ein. Also Obacht mit den faded Lacken von Gibson, muss man ganz behutsam mit umgehen! Dies sieht man auch an den neuralgischen Stellen, wie z.B. der Armauflage.

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